Ausstellung Subraum „Iro unterm Fernsehturm“ (AT)

Die Agentur für Bildung kuratiert einen Subraum zum Thema Freiräume/Subkulturen in der Ausstellung BERLIN GLOBAL am Berliner Humboldt-Forum.
Im Auftrag der Stiftung Stadtmuseum Berlin
Eröffnung der Ausstellung: voraussichtlich 7. Juli 2024

Punk in Ost-Berlin

Die Punk-Bewegung kam Ende der 1970er Jahre aus West-Berlin und England nach Ost-Berlin, Halle und Leipzig. Die kleine urbane Bewegung erregte durch ihr Erscheinungsbild Aufsehen. Was im Westen als Provokation galt, war in der DDR ein Angriff auf den Staat. Die Vorstellung, wie Jugendliche sein sollten, war eng mit dem Ideal der FDJ verbunden. Individuelle Lebensentwürfe waren nicht vorgesehen und wurden bekämpft. Wie in vielen jugendkulturellen Gruppen spielte Musik für den Ost-Berliner Punk eine wichtige Rolle. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen gründeten Bands und probten in besetzten Wohnungen und Kellern im Prenzlauer Berg, ab 1983 in Räumen der Lichtenberger Erlöserkirche und anderen evangelischen Kirchen. Sie trafen sich am Alexanderplatz, in Parks wie dem Plänterwald und auf der Straße.

Punk ´79 – ´89

Von 1979 bis 1983 entstanden Punkpulks um die ersten Bands. In dieser Phase wurden Punks vom MfS und der Deutschen Volkspolizei kriminalisiert. Für 1984 war das Nationale Jugendfestival der FDJ in Berlin geplant, das alle fünf Jahre stattfand. Erich Mielke, Chef der Staatssicherheit, wollte bis dahin die Straße von „negativem Unrat“ gesäubert wissen und befahl Härte. Die Volkspolizei kontrollierte und verhaftete Punks auf der Straße. Durch Operative Vorgänge (OV) sowie Operative Personenkontrollen (OPK) versuchte das MfS, die Erscheinung Punk „aufzuklären“. Zersetzende Maßnahmen wie vorzeitigen Einzug zum Dienst bei der Nationalen Volksarmee und Ausweisung in die BRD wurden genutzt, um die frisch gebildeten Kreise auszudünnen. Jugendliche unter 16 Jahren wurden zur Regulierung und sozialistischen Erziehung in Kinderheime eingewiesen. Auch die Gesellschaft beteiligte sich an der Ausgrenzung gegen Punks im öffentlichen Raum, so kam es zu Beschimpfungen („Euch hat man vergessen, zu vergasen“) und gewalttätigen Übergriffen. Nach 1985 agierte der Staatsapparat deutlich weniger repressiv. Es gab weniger Verhaftungen, Konzertauftritte wurden möglich. Der Radiosender DT64 spielte Punkmusik, in FDJ-Klubhäusern war sie auch zu hören und Punks mischten sich verstärkt unters Publikum.

Subversion und Party

Wie überall auf der Welt wollte auch die Ost-Berliner Punk-Bewegung subversiv provozieren und das (spieß-)bürgerliche Leben in Frage stellen. In der DDR war Punk eine Möglichkeit, aus den engen gesellschaftlichen und staatlichen Zwängen auszubrechen und ein alternatives Leben auszuprobieren. Aus von den Großeltern rein geschmuggelten Bravos oder Fanzines erfuhren die Jugendlichen, wie sich Punks stylten. Auf Müllkippen suchten sie ihre ersten Lederjacken, bemalten oder beklebten sie, bastelten sich Badges, schnitten und färbten ihre Haare, hörten Radio, nahmen Kassetten auf, gründeten Bands. Die Punks trafen sich auf Markt- und Rummelplätzen, erkämpften sich Zutritt in Discos und Kneipen, feierten in Kellern, Wohnungen und auf Dachböden.

Die Kirchen boten Punkbands die einzigen öffentlichen Auftrittsgelegenheiten. Die Bands besangen ihren Alltag, Probleme in der Schule, mit Lehrmeistern, Polizei, Gastwirten und Kleingärtnern. Ost-Berliner Bands wie Müllstation, Schleimkeim, Namenlos und Wutanfall erzeugten politische Texte, oft erst in Reaktion auf staatliche und gesellschaftliche Diskriminierung. Wie in allen Jugendbewegungen nach 1950, war auch der Punk im Osten männerdominiert. Sexistische Strukturen in all ihren Erscheinungen waren Alltag. In Ost-Berlin spielten und sangen in Bands wie Namenlos, Die Firma, Kein Talent und Klick & Aus Frauen, während sie in der sonstigen Republik oft lediglich als Groupies fungierten.